Was Laufräder wirklich wiegen – und warum Hersteller tricksen

fahrradrad-mit-reifen-auf-braunem-holzboden-yQdtoSEgIx0
Fahrradreifen auf braunem Holzboden – Foto von Matheus Farias

Laufrad-Leichtbau im Faktencheck: Kaum ein Bauteil am Rennrad ist so mythenumrankt wie das Gewicht der Laufräder. Aber was wiegen sie wirklich – und warum tricksen die Hersteller bei den Angaben? Wir zerlegen die Marketingversprechen, entlarven Mogelpackungen und zeigen, worauf du beim Laufradkauf wirklich achten musst. Schluss mit dem Zahlen-Schönreden: Hier kommt der ehrliche Deepdive für alle, die wissen wollen, was sie wirklich fahren.

  • Laufradgewichte werden oft schöngerechnet – wir zeigen, wie getrickst wird
  • Warum das Gewicht auf der Waage nicht immer das Gewicht auf der Straße ist
  • Welche Teile beim Wiegen gerne „vergessen“ werden
  • Wie du echte Laufradgewichte selbst nachprüfst
  • Warum die Masseverteilung über die Performance entscheidet
  • Welche Rolle Felgenband, Ventile und Achsen spielen
  • Tipps für Gewichtstuning ohne Sicherheitsrisiko
  • Für wen ultraleichte Laufräder wirklich Sinn machen

Das Märchen vom Kataloggewicht: Wie Hersteller tricksen

Wenn du den Prospekt aufschlägst oder im Online-Shop nach den heißesten Laufradsätzen suchst, springt dir oft ein sensationell niedriges Gewicht ins Auge. 1.250 Gramm, manchmal sogar noch weniger – klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Und genau das ist es meistens auch. Hersteller lieben es, mit dem Gewicht zu prahlen, denn nichts verkauft sich so gut wie das Versprechen von „weniger ist mehr“. Doch die Realität sieht oft ganz anders aus. Wer die Marketingangaben glaubt, sitzt am Ende nicht selten auf einem Laufradsatz, der auf der heimischen Küchenwaage plötzlich deutlich mehr auf die Rippen bringt als versprochen.

Der Trick ist so einfach wie gemein: Es gibt schlicht keine einheitliche Norm, was alles beim Laufradgewicht mitgewogen werden muss. Manche zählen das Felgenband nicht mit, andere lassen sogar Achsendstücke oder Abstandsadapter weg. Bei Tubeless-fähigen Modellen fehlt dann auch gerne mal das erforderliche Felgenband oder die Ventile werden einfach unterschlagen. So kann man locker 40 bis 60 Gramm je Laufrad einsparen – auf dem Papier. Der Käufer merkt das erst, wenn er das Paket öffnet und alles komplettiert, was zum Fahren dazugehört. Die Hersteller rechnen sich ihre Produkte also „schön“, und zwar systematisch.

Gutgläubige Kundinnen und Kunden sind damit die Gelackmeierten. Denn am Ende zählt nicht das Prospektgewicht, sondern das echte Systemgewicht, also alles, was am Rad montiert ist und mitrotiert. Wer sich davon nicht aufs Glatteis führen lassen will, sollte kritisch nachfragen und im Zweifel selbst nachwiegen. Denn nur so weißt du wirklich, wie leicht – oder schwer – deine neuen Laufräder sind. Alles andere ist ein Zahlenspiel à la „Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“.

Was gehört wirklich zur Laufradmasse? Die unsichtbaren Gramm

Die Frage, was eigentlich alles zur Laufradmasse zählt, klingt banal – ist aber der Kern des Problems. Ein Laufrad besteht nicht nur aus Felge, Nabe und Speichen. Da kommen noch einige „Kleinteile“ dazu, die im Alltag unverzichtbar sind, aber gerne unter den Tisch fallen: Felgenband, Tubeless-Ventile, Endkappen, Achsen, und manchmal sogar die Schnellspanner oder Steckachsen. Besonders bei modernen Road-Bikes mit Steckachse wird hier getrickst, was das Zeug hält. Manche Hersteller wiegen ihr Produkt nackt, andere montieren wenigstens das Felgenband – aber Ventile? Fehlanzeige.

Wer ein Tubeless-System fährt, braucht Ventile und meistens ein extra-dichtes Felgenband – das bringt je nach Ausführung gleich mal 15 bis 30 Gramm pro Laufrad zusätzlich auf die Waage. Werden dann noch Disc-Rotoren und Kassette montiert, wächst das Systemgewicht weiter, auch wenn diese Komponenten streng genommen nicht zum eigentlichen Laufradsatz gehören. Für die Praxis ist aber entscheidend: Alles, was sich mit dem Rad dreht oder für die Funktion nötig ist, zählt zur rotierenden Masse und beeinflusst Beschleunigung und Fahrgefühl. Die „unsichtbaren Gramm“ machen dabei oft den Unterschied zwischen einer echten Rakete und einer trägen Mogelpackung.

Viele Profis und erfahrene Amateure wiegen daher ihre Laufradsätze immer selbst – und zwar komplett fahrfertig. Wer das nicht macht, tappt schnell in die Marketingfalle. Unser Tipp: Immer alles mitwiegen, was du später auch auf der Straße dabei hast. So bekommst du ein realistisches Bild und kannst verschiedene Modelle wirklich fair vergleichen. Wenn ein Hersteller keine vollständigen Angaben macht, ist Skepsis angebracht – und Nachfragen Pflicht. Nur so trennt sich das Leichtbau-Weizen vom Marketing-Spreu.

Die Wahrheit über rotierende Masse und Fahrdynamik

Jetzt wird’s technisch, aber keine Angst: Wir halten es verständlich und praxisnah. Die rotierende Masse eines Laufradsatzes ist viel mehr als nur eine Zahl auf der Küchenwaage. Sie entscheidet, wie schnell dein Rad beschleunigt, wie wendig es sich anfühlt und wie lange es den Schwung hält. Dabei ist nicht nur das Gesamtgewicht entscheidend, sondern vor allem die Masseverteilung. Ein Laufrad mit schweren Felgen und leichten Naben fährt sich träger als eins mit leichter Felge und schwererer Nabe – auch wenn das Gesamtgewicht gleich ist. Das liegt am sogenannten Massenträgheitsmoment, das beschreibt, wie schwer es ist, ein rotierendes Objekt zu beschleunigen oder abzubremsen.

Hersteller, die beim Gewicht tricksen, verschleiern oft genau diese Tatsache. Sie sparen vielleicht an der Nabe, weil das auf dem Papier viel bringt, aber an der Felge bleibt die Masse bestehen. Für die Performance auf der Straße ist das fatal: Ein vermeintlich leichter Laufradsatz kann sich trotzdem anfühlen wie Blei, wenn die Felge zu schwer ist. Umgekehrt sorgt eine leichte Felge für messbar schnellere Antritte und ein spritzigeres Fahrgefühl – auch wenn das Systemgewicht nur marginal niedriger ist. Es lohnt sich also, nicht nur auf die Grammzahl zu schielen, sondern gezielt nach der Felgenmasse zu fragen.

Für Performance-Junkies und alle, die Wert auf direkte Fahrdynamik legen, ist das der entscheidende Punkt. Wer wirklich wissen will, wie sich ein Laufradsatz fährt, muss die Masseverteilung kennen. Leider machen die wenigsten Hersteller dazu ehrliche Angaben. Unser Tipp: Augen auf beim Felgenkauf, Testberichte lesen und selbst nachmessen, wenn möglich. Nur so bekommst du ein echtes Gefühl für die Qualität hinter dem Marketing-Bullshit.

Selber wiegen, selber wissen: Kaufberatung gegen Werbesprech

Genug gespottet, jetzt geht’s ans Eingemachte: Wie findet man heraus, was ein Laufradsatz wirklich wiegt? Die Antwort ist einfach – und doch machen es die wenigsten. Wer sich nicht auf Herstellerangaben verlassen will, sollte seinen Wunschlaufradsatz im Laden oder direkt nach dem Auspacken wiegen. Am besten einzeln und komplett fahrfertig, also mit Felgenband, Ventilen und allen Adaptern. Eine digitale Kofferwaage tut’s für den Hausgebrauch, für absolute Nerds gibt’s Präzisionswaagen für den Bastelkeller. Wer online bestellt, sollte sich im Zweifel das Rückgaberecht sichern, falls das Gewicht deutlich abweicht.

Das eigene Wiegen hat noch einen weiteren Vorteil: Du lernst dein Material besser kennen, kannst gezielt tunen und verstehst, wo die echten Leichtbau-Potenziale liegen. Felgenband auswechseln, leichtere Ventile montieren oder auf Carbon-Endkappen upgraden – all das bringt kleine, aber feine Gewichtsvorteile, ohne gleich die Sicherheit zu riskieren. Achtung aber bei exotischen Leichtbau-Bauteilen: Nicht alles, was leicht ist, hält auch. Gerade bei sicherheitsrelevanten Teilen wie Felgen oder Speichen sollte das Sicherheitsplus immer vor dem letzten Gramm stehen.

Und für wen sind ultraleichte Laufräder überhaupt sinnvoll? Klar, wer Rennen fährt oder steile Berge liebt, profitiert am meisten. Für Alltagsfahrer, Tourenfreunde und schwere Fahrerinnen und Fahrer ist ein haltbares, steiferes Laufrad oft wichtiger als das letzte Gramm. Hier bringt solide Technik am Ende mehr als Marketing-Trickserei. Das gilt besonders, wenn du auch mal mit Gepäck oder bei schlechtem Wetter unterwegs bist. Gewichtsangaben sind nett – aber nicht das Maß aller Dinge.

Fazit: Ehrliche Laufradgewichte für ehrliche Fahrer

Laufradgewichte sind ein heißes Thema, und die meisten Hersteller spielen hier nicht gerade mit offenen Karten. Wer sich vom Prospekt blenden lässt, bekommt oft mehr Masse als versprochen – und weniger Performance als erhofft. Die Lösung? Selbst wiegen, kritisch nachfragen und auf die Masseverteilung achten. Felgenband, Ventile und Adapter zählen mit, denn nur das komplette, fahrbereite Laufrad ist wirklich relevant. Ultraleicht lohnt sich vor allem für Racer, alle anderen fahren mit solidem Material meist besser. Unser Rat: Lass dich nicht veräppeln – und hol dir die Wahrheit auf die Waage.

Die Wahl des richtigen Laufradsatzes ist eine Frage der Ehrlichkeit – mit sich selbst und mit den Fakten. Wer sich von Fantasiezahlen und Werbeversprechen nicht täuschen lässt, fährt am Ende nicht nur leichter, sondern auch cleverer. Wir von 11bar stehen auf echte Werte statt Mogelpackungen. Und auf Leserinnen und Leser, die genauso ticken.

Pro:

  • Selbst gewogenes, komplettes Gewicht gibt echte Vergleichbarkeit
  • Kritische Prüfung schützt vor Marketing-Tricksereien
  • Verständnis der Masseverteilung bringt Performance-Vorteile
  • Gezieltes Tuning möglich: Felgenband, Ventile, Adapter
  • Wer Fakten kennt, kauft nachhaltiger und sicherer ein

Contra:

  • Herstellerangaben oft unvollständig oder irreführend
  • Selbst nachwiegen erfordert Aufwand und Genauigkeit
  • Ultraleichtbau birgt Risiko für Haltbarkeit und Sicherheit
Total
0
Shares
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Related Posts